ZORAN MUSIC Ausstellung 05.05. – 05.06.23 in Bozen

Zoran Mušič Ausstellung in Bozen

04.05.2023 - 05.06.2023 | Bozen, Waltherhaus

Das Südtiroler Kulturinstitut eröffnet am Donnerstag, 4. Mai um 18 Uhr im Waltherhaus in Bozen die von Wilfried Magnet und Siegbert Metelko kuratierte Ausstellung über Zoran Mušič (1909–2005).

Anton Zoran Mušič wurde 1909 in Bukovica in der Nähe von Görz geboren. Er ist ein Weltkünstler im Europa des 20. Jahrhunderts, hat alle Wirren des letzten Jahrhunderts miterlebt. Er ist international anerkannt, seine Werke befinden sich in bedeutenden weltweiten Sammlungen.
Zoran Mušič wuchs in einem dreisprachigen Gebiet der Habsburgermonarchie auf, in der Familie sprach man slowenisch, sein Vater war Schuldirektor, die Mutter Lehrerin. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zog die Familie nach Kärnten, wo der Vater eine Stelle als Lehrer für slowenische Schülerinnen und Schüler bekam.
Die besondere Nähe Zorans zu den Kärntner Slowenen steht auch eng in Zusammenhang mit seiner Schulzeit in Griffen (Geburtsort seines Freundes, des späteren Nobelpreisträgers Peter Handke) im Bezirk Völkermarkt.
Sein Kunststudium absolvierte er 1930 bis 1934 in Zagreb im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, danach war er als freischaffender Künstler tätig, mit längeren Aufenthalten in Spanien und in Dalmatien. Hier entstanden erste Landschaftsbilder, der Karst wurde fortan zu einem zentralen Thema seiner Malerei.
Anfang Oktober 1944 wurde Mušič in Venedig von der Gestapo verhaftet, weil er mit dem antinazistischen Widerstand in Kontakt stand. Durch sein Malen und Zeichnen in Venedig war er in Verdacht geraten, ein Spion zu sein. Er wurde ins Konzentrationslager Dachau deportiert, überlebte dort das Ende des Zweiten Weltkriegs. Danach ließ sich Mušič in Venedig nieder, das, neben Paris, zu seinem bevorzugten Wohnort wurde.
Mehrmals nahm er an der Biennale in Venedig und an der documenta in Kassel teil und erhielt zahlreiche internationale Auszeichnungen. Seine Themen sind die kargen Landschaften Dalmatiens und Mittelitaliens, die Ansichten von Venedig und Paris, dazwischen Porträts und Szenen aus dem Alltag der Bauern und Fischer. Als Technik bevorzugte er Öl auf Leinwand, daneben Gouache, Aquarell und Buntstift und immer wieder auch Druckgraphik. Eine besondere künstlerische Leistung sind seine Erinnerungen an Dachau, die er in der beeindruckenden Serie „Wir sind nicht die Letzten“ in verschiedenen Techniken in den 1970er Jahren verarbeitet hat.
Bei seinem Tod 2005 zählte Music zu einem der bedeutendsten europäischen Künstler, dessen Werke in den führenden Museen und Galerien in Italien, Frankreich, Slowenien und der Schweiz, aber auch in Deutschland und Österreich gezeigt werden.

Bild: Zoran Mušič (1909–2005), Cavallo azzurro, 1950, Öl auf Leinwand, 59,5x80cm, Rückseite signiert datiert betitelt, Foto Galerie Magnet

 

Ort: Haus der Kultur – Waltherhaus, Schlernstraße 1, Bozen
Eröffnung: Donnerstag, 4. Mai 2023 um 18 Uhr
Begrüßung: Hans-Christoph von Hohenbühel, Vorsitzender des Südtiroler Kulturinstitutes
Einleitende Worte: Wilfried Magnet und Siegbert Metelko, Kuratoren der Ausstellung

Öffnungszeiten: 5. Mai bis 5. Juni 2023, Mo.-Fr. 15–18 Uhr und Sa. 10–12 Uhr frei zugänglich, an Feiertagen geschlossen.

Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung von Kurator Siegbert Metelko:

„Es gibt Begegnungen, die dem eigenen Leben eine neue, bislang unbekannte Richtung weisen. So war es im Jahre 1986, als ich im Museo Correr in Venedig mit den Bildern von Zoran Music konfrontiert wurde: zum ersten Mal erblickte ich die schrecklichen Visionen der Serie „Non siamo gli ultimi“, die gemalten Leichenberge, in welcher der Künstler in einer nie zu Ende gebrachten Trauerarbeit der Toten KZ-Kameraden im Konzentrationslager Dachau gedachte.

Als junger Mann war er dorthin deportiert worden, verhaftet in Venedig, und nach einer Internierung im Triestiner KZ Risiera di San Saba, jäh herausgerissen aus einer vielversprechenden künstlerischen Karriere.

Eine Ironie des Schicksals wollte es, dass Music seinen Verfolgern direkt vor dem Portal des Palazzo Balbi-Valier in die Hände fiel, wo er viel später mit seiner kongenialen Frau Ida Barbarigo wohnen würde.

Hinter diesem schicksalhaften Portal sollte das Paar beider Freund, den französischen Staatspräsidenten Francois Mitterrand beherbergen und ihn bis hart an die Schwelle seines Todes begleiten. Was Zoran Music hatte schauen müssen, die steif gefrorenen Toten unter einem Leichentuch aus Schnee, die Gehenkten am Galgen, wird ihm Albträume verursachen; auch die späteren fulminanten Erfolge in Paris, in Deutschland und in Italien, gipfelnd in der großen Retrospektive im Grand Palais werden daran nichts ändern. Music malt ein Requiem auf die menschliche Zivilisation, ob im heiteren Paris, ob im Karst oder auf seiner Altane in Venedig.

Zoran Music war sozusagen aus dem Paradies seiner Kindheit und Jugend vertrieben worden und kein Rückweg stand ihm offen, es sei denn in der zeitweiligen Einkehr unter den goldenen Mosaiken von San Marco, deren diffuses jenseitiges Leuchten er in späten Bildern einzufangen versucht. Music ist im Collio aufgewachsen jener idyllischen Landschaft nördlich von Gorizia/ Görz/ Nova Gorica. Schon einmal hatte er, im Verlauf des Ersten Weltkriegs mit seinen Eltern die Idylle verlassen müssen, als eine absurde Frontlinie durch die Weinberge verlief.

Prägende Monate verbringt er in Griffen, in Südkärnten; im hohen Alter war es ihm gegönnt, sein früheres Kinderzimmer zu betreten, kurz ehe das zeitweilige Domizil abgerissen wurde.

In diesem Leben aus der Flucht aus den Höllen des 20. Jahrhunderts, in der Haft in Dachau, danach aber in der Betrachtung der wiederentdeckten Schönheit der schon gänzlich verloren geglaubten Alten Welt, ist er zum Maler jenes mythischen Kontinents geworden, den wir Mitteleuropa nennen. Dieses Mitteleuropa ist die Synthese aus den Traditionen und Kulturen Europas.

Bereits in den 30-er Jahren hatte er Spanien entdeckt, wo er die Werke von Velazquez und Goya studierte. Beide Künstler haben einen unverkennbaren Einfluss auf seine eigene Malerei, sie lehrten ihn, die Welt aus einer überzeitlichen Perspektive zu sehen: Velazquez als der Maler der Hispanidad, des spanischen Ethos, der über die Höfe von Madrid und Wien in die Kulturgeschichte Mitteleuropas hereinwirkte, Goya als Maler und Chronist der Desaster der napoleonischen Kriege.

Nichts konnte mehr sein wie früher, als Zoran Music 1945 aus dem Konzentrationslager befreit wurde. Dennoch suchte er nach seinen Wurzeln, vielleicht nach Heilung eines letztlich nicht heilbaren Traumas. Denn „non siamo gli ultimi“ – „Wir sind nicht die letzten“: die stumme Klage der Toten wird ihn begleiten, wenn er auch Abstand zu gewinnen sucht.

In Venedig heiratet er Ida Cadorin, geistige Erbin einer legendären Malerdynastie, die sich selbst „Barbarigo“ nennen wird, Paris wird neben Venedig zu seiner zweiten Heimat, die Landschaft des Karstes und Dalmatiens erinnert ihn an die mediterranen Eindrücke seiner Kindheit. Wer heute abseits von der Autobahn entschleunigt durch den Karst über Triest fährt, der vermag ihnen noch zu begegnen, den auf dem trockenen Boden herumgaloppierenden halbwilden Pferdchen, den „Cavallini“. Wie über ein Mosaik aus weißen Steinsplittern laufen sie durch die Gegend, mit einer Art nachdenklichem Humor betrachtet sie Zoran Music und malt sie in ihrer fröhlichen Geschichtslosigkeit.

Nur allzu oft freilich verwandelt sich das Bild vor seinen Augen. Dann gemahnt ihn das weiße Geröll wieder an die weißen Schädel der Toten von Dachau und die Pferdchen erinnern ihn an ein unerreichbares Gefühl der Freiheit, einer Freiheit, die er ständig bedroht weiß. Denn was einmal geschehen ist, das wird sich wieder und wieder wiederholen müssen.

Es gibt für Music keinen Optimismus in der Geschichte, unwiderleglich bleibt die Erfahrung.

Seit 1988 hatte ich engeren Kontakt mit Zoran Music. Ich erinnere mich an die vielen Stunden, die wir in seinem Pariser Atelier und seinem prachtvollen Haus in Venedig verbrachten, an die Erzählungen aus seiner Biographie, die die mitteleuropäischen Tragödien des 20. Jahrhunderts geradezu exemplarisch zusammenfasst. In seiner Domäne gab er sich stets als Souverän, selbstkritisch verwarf er zuweilen eindrucksvolle Blätter und Skizzen, man musste ihn überreden, nichts zu vernichten.

In seinem bodenlangen weißen Morgenmantel inmitten seiner Arbeiten stehend, erfreute es ihn dennoch, wenn man sich für seine Arbeit interessierte. Er wusste, dass er keiner der künstlerischen Strömungen seiner Epoche angehören wollte und kümmerte sich nicht im Geringsten darum, ob seine Arbeiten einem Trend entsprächen, ob sie sich jemals würden vermarkten lassen. Sein Ruhm erwies sich als zeitentrückt.

Was auch auf die Bilder von Ida Barbarigo zutrifft, deren Porträtserie des Präsidenten Mitterrand ein Wesen enthüllen, das eher aus der Esoterik zu begreifen ist, denn aus der Tagespolitik seiner Amtszeit.

In diesem Bereiche verlieren Begriffe wie „Moderne“ oder „Avantgarde“ völlig an Bedeutung. Beide betrachten sie die Welt „sub specie aeternitatis“, von der Ewigkeit her.

Wenn Zoran Music die Barken an den venezianischen Zattere zeichnet und malt, wenn sein Blick an einem Fenster in der roten Fassade eines venezianischen Hauses hängen bleibt, wenn er die Rose im Seitenschiff von San Marco malt, so beschwört er ein Venedig jenseits von Raum und Zeit.

Es geht eine Faszination vom diesem Werk aus, um die man sich anstrengen muss. Wer sich nicht auf die Persönlichkeit des Meisters einlässt, der wird keinen Zugang in seine Welt finden. In einem Gespräch mit Jean-Marie Drot, lüftet er einmal den Schleier der Diskretion und bekennt, bezüglich seiner unter Lebensgefahr entstandenen Zeichnungen aus Dachau: „Ich zeichnete wie in Trance. Ich war wie geblendet von der verzaubernden Großartigkeit dieser Leichenfelder. Von weitem erschienen sie mir wie weiße Schneefelder, wie silbrige Reflexe auf Bergen, oder wiederum wie der Flug vom Möwen, die sich auf der Lagune niederlassen, vor dem schwarzen Hintergrund eines Gewitters über dem Meer …“ Und weiter: „Keineswegs als Reaktion gegen den Schrecken habe ich das Glück der Kindheit wiederentdeckt: kleine Pferde, Landschaften und Frauen Dalmatiens. Sie waren schon vorher vorhanden. Bloß war es mir nachher gegeben, sie anders zu sehen. Nach der Vision dieser aller äußerlichen Attribute, allem Überflüssigen entkleideten Leichen, die von jeglicher Heuchelei und von den Rangunterschieden befreit waren, mit denen sich die Menschen und die Gesellschaft schmücken, glaube ich die furchtbare und tragische Wahrheit entdeckt zu haben, die zu erfahren mir gegeben war…“

So wandelten Zoran Music und Francois Mitterrand die Zattere entlang, zwei Menschen, die eine Ahnung vor dem großen Geheimnis jenseits der Geschichte verband. Dass ich Music eine Strecke seines Lebens begleiten durfte, ist ein Privileg meines Lebens.“